Peter Prange

Die Rose der Welt

Paris, 1229

Robert und Paul sind jung und arm - doch sie haben einen Traum. Studieren wollen sie, in Paris, wo 1229 die erste Universität gegründet wurde: „Die Rose der Welt“. Da, wo neue, nie gedachte Gedanken erprobt werden, hofft Robert auf eine Karriere in der Königsdisziplin aller Wissenschaften, der Theologie. An die Liebe darf er darum nicht denken, schon gar nicht an Marie, die Frau seines Freundes, in der er eine Seelenverwandte findet. Gegen seinen Willen gerät er in einen blutigen Studentenaufstand, die Universität tritt in den ersten Streik der europäischen Geschichte. Im Kampf mit Kirche und Krone geht es um die Freiheit des Denkens - und für Robert um sein Leben. Im Sturm der entfesselten Mächte muss er sich entscheiden: zwischen der Liebe zur Wissenschaft und der Liebe zu Marie.

Leseprobe
Rezensionen

Ob Medizin in "Der Medicus" oder Baukunst in "Die Säulen der Erde - diese Werke erzählen uns zum ersten Mal davon, wie etwas Großes, Neues, Bedeutendes begann. Wenn Peter Prange nun in "Die Rose der Welt" zum ersten Mal von den Anfängen der Universität erzählt, schildert er zugleich den Kampf um die Befreiung des Denkens aus der Bevormundung von Kirche und Staat.
BuchMarkt

Spannend und lehrreich zugleich.
Rhein-Neckar-Zeitung

Ein grandioses Leseerlebnis.
lesefieber.ch

Peter Prange gewährt in seinem Roman nie gesehene Einblicke in das akademische Leben seiner Protagonisten und der Bürger von Paris im tiefen Mittelalter. Wunderbar geistreich.
Luxemburger Wort

Kulturgeschichte in einem spannenden Plot, den man nicht aus der Hand legen möchte.
Siegener Zeitung

"Die Rose der Welt ist ein (weiterer) in jeder Hinsicht gelungener Roman aus der Weltenbauer-Dekalogie des Autors, der jedem geschichtsinteressierten Leser wärmstens empfohlen werden kann.
büchertreff.de

Fesselndes Sittengemälde.
Reutlinger Generalanzeiger

"Die Rose der Welt" ist mehr als ein historischer Roman, er ist ein intelligenter Gesellschafts- und Liebesroman in einer aufwühlenden Zeit.
denglers-buchkritik.de

Höchstwertung!
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Interview mit Peter Prange

 

1. Herr Prange, Ihr Buch versetzt uns nach Paris, wo im Jahr 1200 mit Privileg des Königs die erste Voll-Universität der Welt gegründet wurde. Das scheint weit weg von uns zu sein. Weshalb geht es uns dennoch an?

Die Gesellschaft, in der wir leben, ist eine Wissensgesellschaft. Wissen war noch nie eine so bedeutende Macht wie heute – die größten Konzerne der Welt sind bekanntlich Informations-, also Wissensunternehmen. Diese Entwicklung nahm mit der Gründung der ersten Universitäten ihren Anfang. Die Art und Weise, wie damals Wissen produziert und verbreitet wurde, hat die moderne Wissensproduktion und -verbreitung bis heute geprägt. Die Organisation von Forschung und Lehre, die Unterscheidung der Fakultäten, die akademischen Grade, die Internationalität der Scientific community – alles war damals schon da. Sogar Copy-Shops gab es bereits, zur preiswerten Vervielfältigung von Lehrmitteln.

 

2. Studentenunruhen und ausschweifende Feste: hat das etwa mit Ihren eigenen Studienerfahrungen zu tun?

Und ob! Ich gehöre ja noch einer Studentengeneration an, die zum Zweck der Meinungsbildung ebensooft auf die Straße wie in den Hörsaal zog. Allerdings, was die Feste angeht – die waren oft sooo berauschend, dass ich sie komplett vergessen habe ...

 

3. Wie sind Sie auf das Thema Ihres Romans gekommen?

Wie bei den meisten meiner Romane bin nicht ich auf das Thema gestoßen – vielmehr hat das Thema mich entdeckt. Ich recherchierte für eine ganz andere Geschichte, als ich bei dem französischen Mediävisten Jacques LeGoff ein paar Zeilen über einen Streik las, den die Studenten und Professoren der Pariser Universität im Jahr 1229 vom Zaun gebrochen und zwei Jahre lang durchgehalten haben, um ihre Rechte gegenüber Krone und Kirche zu behaupten. Ich war sofort elektrisiert. Was mich hier angesprungen hatte, war nichts weniger als der erste Streik der europäischen Geschichte überhaupt!

 

4. Dieser erste Streik steht im Zentrum Ihres Romans. Worum ging es in diesem Machtkampf?

Alles begann mit einer Wirtshausschlägerei im Karneval des Jahres 1229, im Pariser Faubourg Saint-Marcel. Aus den Quellen geht hervor, dass es zu Streitigkeiten bei der Bezahlung der Zeche kam. Es folgten tagelange Krawalle zwischen Studenten und Bürgern. Als Soldaten des Stadtpräfekten mehrere Studenten zu Tode prügelten, forderten die Magister die Obrigkeit auf, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, oder sie würden in den Streik treten.

 

5. Was macht diesen Konflikt in Paris so besonders und zukunftsweisend?

Als die Regentin und Königinmutter Blanka von Kastilien sich weigerte, die Forderungen der Magister zu erfüllen, spitzte der Streit sich sehr schnell zu einer sehr grundsätzlichen Frage zu: Wer hat die Rechtshoheit über die Universität und ihre Mitglieder? Die Krone? Die Kirche? Oder die Universität selbst? Durch den anschließenden Streik erstritten die Universitätsangehörigen grundlegende, zum Teil bis heute gültige Freiheitsrechte. Überspitzt könnte man sagen: Die Freiheit in Forschung und Lehre verdankt sich letztlich einer Pariser Wirtshausschlägerei aus dem Jahre 1229.

 

6. Kann man wirklich sagen, dass hier die Idee von der Freiheit des Denkens und der Wissenschaft erstmals formuliert wird?

Der Streik endete 1231 mit einer Bulle des Papstes. Darin beschnitt Papst Gregor IX. die Zugriffsrechte der Krone auf die Universität und sicherte dieser zugleich ein erstaunlich hohes Maß an Selbstverwaltung zu. Diese Bulle gilt darum heute als die Magna Charta der Pariser Sorbonne – und zugleich als Magna Charta der akademischen Freiheitsrechte überhaupt.

 

7. Uns erscheint dieser Gedanke inzwischen selbstverständlich. Ist diese Freiheit wirklich durchgesetzt, sind die Konflikte tatsächlich Geschichte?

Die Freiheit von Forschung und Lehre, ja die Freiheit des Denkens überhaupt ist eines der wichtigsten Güter, die eine moderne, aufgeklärte Gesellschaft auszeichnen. Doch sie ist alles andere als selbstverständlich, bis heute nicht. Quer durch die Jahrhunderte haben Kirche und Staat immer wieder versucht, Einfluss auf die Universitäten, sprich: die Produktion und Verbreitung von Wissen zu nehmen, um sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Eines der spektakulärsten Beispiele ist der Fall Galilei, dessen Weltbild nicht in das der Kirche passte – das Ende ist bekannt. Solche Auswüchse gibt es bis in die Neuzeit. Unter der Naziherrschaft wurde in Deutschland arische, in der DDR marxistisch-leninistische „Wissenschaft“ betrieben. Heute kommt neben Kirche und Staat noch eine dritte Macht vermehrt ins Spiel: die Wirtschaft, die durch Vergabe sogenannter „Drittmittel“ Einfluss auf Forschung und Lehre zu nehmen sucht. Kurz: Die akademische Freiheit ist ein Gut, das es immer wieder aufs Neue zu beschützen gilt, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, dass die Suche nach Wahrheit und Erkenntnis für wie auch immer geartete Ideologien missbraucht wird.

 

8. Die beiden Helden Ihres Romans, die Freunde Paul und Robert, kommen aus der Provinz, sie sind arm. Was bedeutet Paris für die beiden?

Mit drei Worten: ein besseres Leben! Die Öffnung der Universitäten bedeutete einen enormen Demokratisierungsschub der Gesellschaft. Zugang zum Unterricht hatte prinzipiell jeder, der des Lateinischen mächtig war – ob arm oder reich, hier zählte nicht der Adel der Geburt, sondern der Adel des Geistes. Die Ausbildung an einer Universität bot jungen Männern von niederer Herkunft die einzigartige Möglichkeit, Standesgrenzen zu überschreiten und Karriere zu machen, bis hinein in die Spitzen der Gesellschaft. Der spätere Namensgeber der Pariser Universität, Robert de Sorbon, ein Gelehrter des 13. Jahrhunderts, dem ich meinen Helden ein wenig nachgebildet habe, stieg als Sohn eines Bauern zum Magister und Berater des Königs auf! Das ist der Traum von Paul und Robert, als sie nach Paris aufbrechen.

 

9. Paul wird als Kopist erfolgreicher Unternehmer. Erklären Sie uns bitte das Geschäftsmodell.

Kopisten verdienten ihr Geld damit, dass sie Vorlesungen und Bücher mit prüfungsrelevantem Wissen vervielfältigten und die Kopien gegen Geld an Studenten ausliehen oder verkauften. Dazu entwickelten sie ausgeklügelte Methoden zur handschriftlichen Multiplizierung von Texten. Buchstäblich nicht umsonst: Die Buchproduktion war ein einträgliches Geschäft, manche Kopisten verdienten mit ihrem Gewerbe mehr Geld als Professoren. Dieser Verlockung erliegt Paul und bricht das Studium ab – mit allerdings für ihn dramatischen Folgen.

 

10. Kann man Robert, der danach strebt, Gelehrter zu werden, eigentlich als Intellektuellen bezeichnen?

Jacques LeGoff kennzeichnet mit dem Begriff des Intellektuellen einen Menschentypus, der mit der Entstehung der Universitäten erstmals in Erscheinung tritt: ein Gelehrter, der mit der Arbeit des Denkens, mit der Produktion von Erkenntnis und Wahrheit, nicht nur sein Leben verbringt, sondern auch seinen Lebensunterhalt bestreitet. Genau das ist Roberts großer Traum, um seiner niederen Herkunft zu entkommen.

 

11. Marie, die Ehefrau von Paul, interessiert sich für das, was an der Universität gelehrt wird. Ist sie damit für ihre Zeit untypisch?

Ich denke, wissenschaftliche Neugier ist an keine Zeit gebunden – und ganz bestimmt nicht an ein bestimmtes Geschlecht. Hildegard von Bingen etwa ist ein berühmtes Beispiel dafür, was wissenschaftlich interessierte Frauen im Mittelalter zu leisten imstande waren. Umso frustrierender mussten sie es darum empfinden, dass ihnen der Zugang zur Universität verwehrt war. Darauf gründet meine Liebesgeschichte im Roman. Während Paul seinen Traum vom Studium preisgegeben hat, stürzt seine Frau Marie sich zusammen mit seinem Freund Robert in das Abenteuer des Denkens ... Daraus entsteht eine „Abaelard-und-Héloise“-Geschichte, im Schatten jenes Klosters, in dem die historische Héloise ihr Leben beschloss.

 

12. Die Wirtshausschlägerei, die Sie als Auslöser des Streiks erwähnten, brach während einer sogenannten „Eselsmesse“ aus. Was hat man sich darunter vorzustellen?

Der Alltag wurde im Mittelalter durch den Glauben in einer Weise bestimmt, die uns heute kaum mehr vorstellbar ist. Die meisten Menschen besuchten jeden Morgen die Messe, täglich wurde mehrmals gebetet, die Fasten wurden streng befolgt – nicht nur im Essen und Trinken, auch im Geschlechtsleben. Diese Unterdrückung der Triebe, die das ganze Jahr über währte, entlud sich im Karneval. Drei Tage und drei Nächte lang war alles erlaubt, was sonst verboten war. Orgiastische Höhepunkte der Feiern waren sogenannte Eselsmessen, die die Narren in den Kirchen abhielten. Unter Anleitung eines Narrenbischofs, kenntlich an einer Eselskappe, wurde im Chorraum getrunken und getanzt, Studenten grölten zotige Lieder, Diakone verhöhnten die Sakramente, nackte Weiber und Mönche wälzten sich auf den Stufen des Altars. Bei einer solchen Feier „explodiert“ meine Geschichte.

 

13. Die wissenschaftliche Denkweise des Mittelalters, die Scholastik, zeigen Sie uns im Roman ganz konkret, sowohl die Themen, die damals erörtert wurden, als auch die Argumentationsweise, die oft verblüffend ist. Wie haben Sie sich in diese Denkformen eingearbeitet? Ist das schwer? Gehen Sie manche Alltagsfrage inzwischen auch nach scholastischem Muster an?

Als Student habe ich ein Seminar über Thomas von Aquin besucht und auch eine Arbeit über diesen großen mittelterlichen Theologen geschrieben. Schon damals faszinierte mich die Strenge der scholastischen Argumentation, mit der eine Frage in allen nur denkbaren Aspekten auf logische und sachliche Richtigkeit hin überprüft wird, bevor man eine These wagt. Wenn ich heute manche TV-Talkshow sehe, kann ich mir eine Wiederbelebung solcher Gedankenstrenge für unsere Debatten nur wünschen!

 

14. Was für Fragen wurden auf diese Weise verhandelt?

Fragen aus allen Bereichen der damaligen Wissenschaft. Ein theologisches Beispiel: „Ist Lachen des Teufels und darum eine Sünde?“ König Ludwig, genannt der Heilige, der in meinem Roman, noch unmündig, im Konflikt mit seiner regierenden Mutter eine wichtige Rolle spielt, hat die Frage für sich so beantwortet, dass er sich an normalen Tagen ein Lachen erlaubte, es sich aber freitags und in der Fastenzeit verbot. In den öffentlichen Disputationen gelangten auch Fragen zur Erörterung, die heute in der Ratgeberliteratur verhandelt werden: „Was ist die wahre Liebe?“ „Welchen Weg gibt es zum Glück?“ „Ist Bescheidenheit eine Tugend?“ Eine Frage, die ich bei meinen Recherchen aufgestöbert habe, war für das Leben meines Helden von so zentraler Bedeutung, dass ich sie seinen Lehrer stellen und von diesem ausführlich erörtern ließ. „Darf man mit Wissen Handel treiben und Geld verdienen?“ Hintergrund ist dabei die Annahme, dass alles Wissen von Gott stamme, also diesem allein gehöre, man folglich von niemandem für dieses Wissen Geld verlangen dürfe. Das scheint uns heute abstrus. Und doch sind wir damit mitten in einer aktuellen Diskussion, wenn heute Menschen, geprägt durch die Umsonst-Mentalität des Internets, das Urheberrecht mit der Begründung in Frage stellen, dass alles Wissen doch in der Gesellschaft gründe, ein Autor also keine Tantieme für seine geistigen Hervorbringungen „verdiene“. Wie Sie sehen, sind die „Piraten“ scholastisch hervorragend geschult!

 

15. Ihr Roman zeigt Menschen und deren Schicksale, die in ihrem konkreten Handeln einem Ideal nachstreben: der Freiheit des Denkens. Ein solches epochenprägendes Grundmotiv finden wir nicht nur in „Die Rose der Welt“, sondern auch in Ihren anderen Romanen. Gibt es einen großen Zusammenhang, der Ihr Werk prägt? Und war das von Anfang an so geplant?

Ersteres ja, zweiteres nein. Der große Zusammenhang, auf eine Formel gebracht, lautet: Tausend Jahre europäische Geschichte in zehn historischen Romanen. Jeder Roman spielt in einem anderen Jahrhundert und an einem anderen Ort, und jedes Mal dreht sich die Handlung um ein Ereignis, das unsere europäische Art zu denken und zu handeln bis heute prägt. Dass ich aber an einem solchen großen Plan arbeite, hat sich mir selbst erst beim Schreiben meines sechsten Romans im Rahmen der Dekalogie offenbart, zu meiner eigenen Überraschung. Da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen, was meine Geschichten miteinander verbindet.

 

16. Welche Jahrhunderte fehlen noch, um das Jahrtausend vollzumachen?

Nur noch das 12. und das 14. Die Themen stehen bereits fest, doch ich möchte sie noch nicht verraten – da bin ich abergläubisch.

 

17. Ideale und Ideen beschäftigen Sie immer wieder in Ihren Romanen, aber nicht nur dort. Wie kamen Sie auf das Thema Ihres Buches „Werte“?

Es ist für mich eine Riesenfreude, dass die „WERTE“ am Erscheinungstag der „Rose der Welt“ bei Fischer eine Neuauflage erleben. Dieses Buch, eine Art Reiseführer durch den europäischen Wertekosmos, erzählt im Grunde dieselbe Geschichte wie meine Romane, nur statt mit den Mitteln der Belletristik in einer Mischung aus Essays und Originaltexten über das, was Europa im Inneren zusammenhält. Es ist gleichsam die theoretische Beleuchtung meiner Dekalogie. Auf die Idee dazu kam ich, als ich einmal gefragt wurde, in welchem Jahrhundert und welchem Land ich als Autor von historischen Romanen am liebsten leben würde, und ich spontan sagte: „Mitten in Europa, zu Beginn des 21. Jahrhunderts.“ In dem Moment begriff ich, dass meine Heimat weniger ein konkretes Land ist, sondern eher eine geistige Landschaft: die der europäischen Werte, die sich von der Antike bis heute in den verschiedenen Kulturen unseres Kontinents herausgebildet haben.